BVerfG: Bezüge sächsischer Beamter teilweise verfassungswidrig
(Az.: 2 BvL 19/09; 2 BvL 20/14; 2 BvL 5/13; 2 BvL 20/09) Dreh- und Angelpunkt der Entscheidung des BVerfG bildet Art. 33 V GG (dazu allgemein: Hebeler, JA 2014, 731 ff.). Zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehört u.a. das Alimentationsprinzip. Der Staat als Dienstherr ist danach verpflichtet für den angemessenen Lebensunterhalt des Beamten und seiner Familie zu sorgen. Maßgeblich zur Beurteilung sind nach ständiger Rechtsprechung Dienstrang, die mit dem Amt verbundene Verantwortung, die Bedeutung des Amtes für die Allgemeinheit sowie die Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards (so schon BVerfGE 8, 1, 14). Um diese Vorgaben aber justiziabel zu machen, hat das Gericht – erstmalig – in einem vielbeachteten Urteil das Alimentationsprinzip durch fünf Parameter näher konkretisiert und zur Überprüfung ein Drei-Stufen-Modell konfiguriert (vgl. BVerfG NJW 2015, 1935, 1937 ff.). Dass das BVerfG dem Gesetzgeber somit haarklein Vorgaben macht, wird vielfach kritisiert (z.B. Hebeler, JA 2015, 718 ff.). Inzwischen hat das BVerfG, mit dem hier besprochenen Urteil, seine Vorgaben zur Richterbesoldung auch auf Landesbeamte übertragen. Danach sei u.a. „eine deutliche Differenz zwischen der Besoldungsentwicklung und den Tarifergebnissen der Angestellten im öffentlichen Dienst in dem jeweils betroffenen Land [...] ein wichtiger Parameter für eine evidente Missachtung des Alimentationsgebotes.“ (BVerfG 2 BvL 19/09, 2 BvL 20/09, 2 BvL 5/13, 2 BvL 20/14, Rn. 78 – juris) HVerfG: Drei-Prozent-Sperrklausel für die Wahl zu den Bezirksversammlungen verstößt nicht gegen die hamburgische Verfassung (Az.: HVerfG 4/15) Im Jahr 2013 hatte das HVerfG die einfachgesetzliche Regelung über die Drei-Prozent-Sperrklausel bei der Wahl zu den Bezirksversammlungen für nichtig erklärt (HVerfG, Urteil vom 15.1.2013, HVerfG 2/11; dazu Anmerkung von Hillgruber, JA 2013, 717 ff.). Daraufhin verabschiedete die Bürgerschaft eine inhaltlich gleichlautende Regelung – nunmehr aber als Bestandteil der Landesverfassung. Der Beschwerdeführer machte im Rahmen der hiergegen gerichteten Wahlprüfungsbeschwerde geltend, die Sperrklausel verstoße gegen die Grundsätze der Chancengleichheit der Parteien (vgl. Art. 21 GG) sowie der Gleichheit der Wahl (vgl. Art. 38 I 1 GG; dazu allgemein: Guckelberger, JA 2012, 641). In der Sache ist hier zwar der Grundsatz der Erfolgswertgleichheit der Wahl betroffen. Da es sich aber um eine Verfassungsänderung handelt – wie sie regelmäßig auch auf Bundesebene diskutiert wird, zuletzt angeregt durch Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion (bit.ly/231p1LL.; bit.ly/1Q52Opt) – gilt dieser Grundsatz nur nach Maßgabe „höherrangigen“ Verfassungsrechts, hier des Demokratieprinzips (Art. 20 I GG). Soweit gleichrangige Normen betroffen sind, vermag keine die Verfassungswidrigkeit der anderen zu begründen. Insofern handelt es sich nicht um einen Eingriff, sondern „lediglich“ um eine Ausgestaltung dieses Grundsatzes. Allerdings hält das Gericht auch das Demokratieprinzip nicht für verletzt, da durch die Drei-Prozent-Sperrklausel weder das Mehrheitsprinzip in Frage gestellt noch elementare Grundprinzipien des Verhältniswahlrechts außer Kraft gesetzt würden. Insofern müsste also, woraufhin das Gericht zu Recht hinweist, der Wesensgehalt des Demokratieprinzips verletzt sein, wovon hier nicht ausgegangen werden kann. Auf folgende Besonderheit sei noch hingewiesen: Die Hamburger Verfassung kennt keine Ewigkeitsklausel wie das Grundgesetz in Art. 79 III GG, nach deren Maßgabe sich „höherrangiges“ Verfassungsrecht ermitteln ließe. Insofern bedarf es für das Gericht eines erhöhten Begründungsaufwands, um materielle Grenzen für Verfassungsänderungen zu ziehen: „Derartige Grenzen könnten sich dennoch aus Fundamentalnormen ergeben, die das Wesen der Verfassung ausmachen und ihre Identität stiften. Verstieße eine Verfassungs-änderung gegen solche Fundamentalnormen, läge keine Verfassungsänderung mehr vor, sondern ein Verfassungsbruch, der von der Verfassung nicht gedeckt wäre und deshalb zur Nichtigkeit der Verfassungsänderung führen müsste.“ (HVerfG 4/15, Rn. 67 – juris) VG Stuttgart: Unterrichtsausschluss wegen Beleidigung der Schulleiterin per WhatsApp (Az.: 12 K 5587/15) Das VG Stuttgart hat in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren gem. § 80 V 1 Alt. 1 VwGO den Antrag eines 14-jährigen Schülers der Klasse sieben gegen einen sofortigen fünfzehntägigen Ausschluss vom Unterricht zurückgewiesen. Der Junge soll unter anderem geschrieben haben: „Fr v muss man schlagen“, „Ich schwör Fr v soll weg die foatze“. Soweit dies den Tatsachen entspricht, sieht das Gericht hierin zu Recht ein schweres Fehlverhalten, das die Persönlichkeitsrechte der Lehrerin verletzt und den Schulfrieden stört. Auf dieser Grundlage sieht das Landesschulgesetz auch den Unterrichtsausschluss vor (vgl. für Sachsen § 39 I, II 1 Nr. 4, IV 1 SchulG). Zwar handelt es sich um einen nicht unerheblichen Eingriff zulasten des Schülers, demgegenüber wiegt sein Fehlverhalten aber schwer, zumal er bereits wiederholt negativ aufgefallen ist. Daher erscheint die Verfügung auch verhältnismäßig. BGH: Revision gegen Freispruch im "Fall Mollath" unzulässig (Az.: 1 StR 56/15) In einem Wiederaufnahmeverfahren vor dem LG Regensburg konnte der Angeklagte Mollath einen Freispruch sowie eine Entschädigung für die Unterbringung erwirken. Einen Teil der vorgeworfenen Taten sah das Gericht als nicht erwiesen an. Hinsichtlich einer gefährlichen Körperverletzung ging das LG jedoch von einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Tat aus, sprach ihn jedoch mangels Schuldfähigkeit gemäß § 20 StGB frei. Hierin sah der Angeklagte einen nachteiligen Freispruch und legte das Rechtsmittel der Revision ein. Die Revision wurde seitens des 1. Strafsenats des BGH mangels Beschwer als unzulässig verworfen. Demnach müsse für die Frage, ob der Angeklagte durch ein Urteil beschwert ist, im Anschluss an die ständige Rechtsprechung eine für den Angeklagten unmittelbare nachteilige Urteilsformel vorliegen. Die Entscheidung des Senats erscheint aus folgenden Gründen bedenkenswert. Der vorliegende Fall unterscheidet sich vom typischen in-dubio-pro-reo-Freispruch, in dem zutreffend eine Beschwer verneint wird. Vorliegend scheidet eine Verurteilung allerdings nur mangels Schuldfähigkeit und der Verhängung einer Maßregelung zur Sicherung und Besserung aus. Es erscheint nicht gerechtfertigt, dass die Möglichkeit zur Einlegung eines Rechtsmittels lediglich von der Verhängung einer solchen Maßregelung und somit von der Schwere der Tat und der Gefährdung durch den Angeklagten für die Allgemeinheit abhängt. Zumal berücksichtigt werden muss, dass auch bei Absehen einer Maßregelung ein Eintrag in das BZR erfolgt, gegen die sich der Angeklagte nicht wehren kann (in diese Richtung auch Bloy, JuS 1986, 585, 587; Kuckein in: Gedächtnisschrift für Keller, 2003, S. 137 ff.). Auch eine Überlastung der Revisionsgerichte scheint nicht zu drohen, da wohl nur in wenigen Fällen der Angeklagte im Falle eines Freispruchs wegen Schuldunfähigkeit, in dem keine Maßregelung der Sicherung und Besserung verhängt wurde, Rechtsmittel einlegen wird. Bezeichnend ist letztlich auch, dass zumindest hilfsweise die Begründetheit der Revision geprüft wurde. Damit scheint sich der Senat im Hinblick auf eine etwaige Beschwerde beim BVerfG und dem EGMR absichern zu wollen. Letzterer hat Deutschland jüngst in einem vergleichbar gelagerten Fall wegen Verstoßes gegen die Unschuldsvermutung gem. Art. 6 II EMRK verurteilt (EGMR StV 2016, 1). Nach hier vertretener Auffassung muss eine Anfechtungsmöglichkeit zumindest dann bestehen, wenn mit der Entscheidung unter Einbeziehung ihrer Gründe ein Grundrechtseingriff verbunden ist. Dass das mit der Feststellung der Schuldunfähigkeit und der positiven Zuschreibung der Täterschaft im Hinblick auf Art. 2 I i.V.m. 1 I GG der Fall sein kann, lässt sich kaum leugnen (vgl. zu ersterem Radtke, in: FS für Claus Roxin zum 80. Geburtstag, S. 1428; Kuckein in: Gedächtnisschrift für Keller, 2003, S. 137, 143). BGH: "Scheunenmord"-Urteil aufgehoben (Az.: 4 StR 223/15) Erlebt der sogenannte Jauchengrube-Fall (BGHSt 14, 193) seine Renaissance? Das LG Paderborn hatte erstinstanzlich über folgenden Sachverhalt zu entscheiden: Der Angeklagte schlug nach einem möglicherweise vorhergehenden Wortgefecht seinem Freund mit einer Metallstange mehrmals unvermittelt von hinten auf den Kopf. Dieser erlitt durch die Schläge ein schweres Schädelhirntrauma, welches bereits tödlich gewesen wäre, fiel zu Boden und blieb bewusstlos liegen. Im Glauben seinen Freund bereits getötet zu haben, entfernte sich der Angeklagte vom Tatort, um diesen eine Stunde später wieder aufzusuchen, die Polizei zu alarmieren und dieser vorzutäuschen, er habe gerade seinen toten Freund aufgefunden. Der Angeklagte stellte jedoch fest, dass sein Opfer noch lebte und durchtrennte diesem die Kehle, so dass das Opfer verstarb. Das LG Paderborn verurteilte den Angeklagten wegen versuchten Heimtückemords in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit vollendetem Totschlag. Der 4. Strafsenat des BGH hob diese Entscheidung jedoch auf. Der Senat kritisiert, dass das LG den Umstand, dass bereits die Schläge mit der Metallstange tödlich gewesen wären und damit eine vom Vorsatz des Angeklagten umfasste Kausalkette in Gang gesetzt wurde, außer Acht gelassen habe. Eine Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf wurde ebenfalls – mit knapper Begründung – verneint. Damit knüpft der BGH an seine alte Rechtsprechung zum Jauchengrube-Fall an. Aus dem genannten Grund käme eine Verurteilung wegen vollendeten Heimtückemords in Betracht. Dem BGH ist hinsichtlich seiner Ausführungen zur Kausalität insoweit zu folgen. Der Angeklagte entfernte sich jedoch in der Annahme, sein Opfer sei schon tot. Erst als er nach einer Stunde den Tatort wieder aufsuchte, bemerkte er, dass das Opfer noch lebte und übte darauf den Kehlenschnitt aus. In dem Entfernen vom Tatort ist eine Zäsur zu sehen, weshalb eine Einteilung in zwei Tatkomplexe (Schlagen mit der Metallstange, Schnitt durch die Kehle) sinnvoll erscheint. Ebenfalls liegt die Annahme nahe, dass seitens des Angeklagten ein Irrtum über den Kausalverlauf gemäß § 16 I 1 StGB vorliegt, wie das vorinstanzliche Gericht annahm. So stellt es schon einen Unterschied dar, ob der Täter davon ausgeht, dass sein Opfer durch Schläge mit einer Metallstange verstirbt oder auf Grund eines Schnitts durch die Kehle des Opfers. Hinsichtlich des zweiten Tatkomplexes käme auch ein möglicher Verdeckungsmord in Betracht, für den es allerdings an der Tatsachenfeststellung fehlt. BGH: Partner muss intime Fotos nach Beziehungsende löschen (Az.: VI ZR 271/14) „Fertigt im Rahmen einer intimen Beziehung ein Partner vom anderen intime Bild- oder Filmaufnahmen, kann dem Abgebildeten gegen den anderen nach dem Ende der Beziehung ein Löschanspruch wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts zustehen, wenn er seine Einwilligung in die Anfertigung und Verwendung der Aufnahmen auf die Dauer der Beziehung – konkludent – beschränkt hat.“ Mit diesem Leitsatz bringt der BGH den Kern der Entscheidung auf den Punkt. Zu Recht stützt das Gericht den Anspruch auf §§ 823 I, 1004 I BGB analog, Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG. Berührt ist hier die Intimsphäre der Klägerin. Zwar hat sie ihrem Partner insofern einen Einblick gewährt – allerdings war ihre Einwilligung auf die Dauer ihrer Beziehung begrenzt. Demgegenüber steht das ideelle Interesse des Beklagten, die Bilder zur Pflege der Erinnerung an die gemeinsame Beziehung behalten zu dürfen. Soweit es überhaupt rechtlich relevant ist, hat es in der Abwägung zurückzutreten. Grundrechtlich schutzwürdige Positionen, etwa aus Art. 14 und 5 III GG spricht der BGH leider nur beiläufig an (BGH VI ZR 271/14, Rn. 42 – juris). Im Ergebnis ist dem Gericht aber zuzustimmen, da diese jedenfalls ein geringeres Gewicht als die Belange der Klägerin haben. ArbG Berlin: Urlaubsabgeltungsanspruch der Erben bei Tod des Arbeitnehmers (Az.: 56 Ca 10968/15) Das ArbG Berlin geht in seiner Entscheidung davon aus, dass im Fall des Todes des Arbeitnehmers die Voraussetzungen des § 7 IV BurlG, der einen Urlaubsabgeltungsanspruch vorsieht, vorlägen. Das BAG hatte dies kürzlich noch anders gesehen (BAG NJW 2013, 1980). Es vertrat die Auffassung, dass der Urlaubsanspruch unterginge und sich nicht in einen Abgeltungsanspruch umwandeln könne, da mit dem Tod die höchstpersönliche Leistungspflicht des Arbeitnehmers erlösche. Grund für die anderslautende Entscheidung ist eine zwischenzeitliche – zumindest methodisch kritikwürdige (Forst, FA 2014, 226 ff.) – Entscheidung des EuGH (EuGH NJW 2014, 2415), wonach Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG dem Untergang des Urlaubsanspruchs im Todesfall entgegenstehe. Insofern erscheint die Entscheidung des ArbG Berlin nur konsequent. Auch kann davon ausgegangen werden, dass das BAG dieser Sichtweise folgen wird.
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